Dienstag, 17. Februar 2009

Kunst auf über 1.000meter

Wohnen am Hang zur Kunst - Zwei Deutsche ziehen nach Kärnten, um Großstadtgefühl auf den Berg zu bringen. Einen Bauernhof am Verditz bauten sie zur "art-lodge" um
Was eine Fahrt im Sessellift so auslösen kann: Katrin und Dirk Liesenfeld, ein Paar mit eigener Werbeagentur in Düsseldorf, bestieg im Februar 2007 in der Gemeinde Treffen die Kanzelbahn. Seit anderthalb Jahren suchten die beiden nach einem geeigneten Gebäude, um es in ein "Kunsthotel" umzubauen. Von der Werbung hatten sie genug, die eigene Kunstsammlung war mittlerweile zu groß, um sie in Wohnung und Agentur zu hängen.
Ursprünglich sollte es ein Haus in Portugal werden. Doch als Katrin Liesenfeld in die sanfthügelige Umgebung blickte, die Gerlitzen unter sich, die Nockberge und Karawanken in der Ferne, beschloss sie: "Ich mag zwar keine Berge. Aber hier ist es schön."
Im Spätsommer dieses Jahres eröffnete Familie Liesenfeld 20 Autominuten von Villach entfernt in Afritz auf 1058 Meter Höhe ihre "art-lodge". Im ehemaligen Rohrerhof, einem 300 Jahre alten Bauernhof samt Gästezimmern, sowie nebenan im Exstall empfängt den Gast eine aparte Mischung aus damals und heute, aus Kunst, Design und Bergbauerntum. Und überall kräftige Farben an den Wänden, Hellgrün, Violett, Rot, Taubenblau.
Beispiel Haupthaus: In der knallig gestrichenen Eingangshalle kontrastieren die schiefergrauen Fliesen mit der Kärntner Holztreppe, der hockenden Männerskulptur von Claudia Rogge und dem Straßenbild von Beat Streuli. Im Restaurant schmiegen sich Steinplatten, geschnitten aus Marmor aus dem nahegelegenen Steinbruch Krastal, an hölzerne Tischgestelle, die auf dem Dachboden des Rohrerhofes gefunden wurden; gesessen wird auf Eames-Sesseln mit Stahlbeinen und weißer Plastikschale. Wer die übermannsgroßen Bilder vor der Bar betrachtet, mag glauben, er habe zu viel getrunken und sehe schon doppelt: Die Fotografien von Stephan Kaluza hinter Plexiglas wirken umso unschärfer, je näher man vor ihnen steht.
Beispiel Stall: Wo früher die Schweine grunzten, schläft es sich nun im Polsterbett an grober Steinwand, draußen blickt man auf einen Naturpool, drinnen auf sandstrahlgereinigte Holzbalken über sich, von denen es noch ein wenig runterrieselt, dazu ein altmodischer Schlitten als Deko, Flat-TV und moderne Kunst.
Ist es nicht gewagt, als Deutscher ausgerechnet in Kärnten auf Kunst zu setzen? "Das halten wir aus. Wenn wir schon Piefkes sind, wollen wir wenigstens nicht piefig sein.", sagt Dirk Liesenfeld. "Außerdem passt der rheinische Humor ganz gut zu dem der Kärntner." Ihr Kellner jedenfalls, ein junger Bursche aus dem Dorf, überspielt seine mangelnde Erfahrung mit keckem Witz.
Liesenfelds Gemütsruhe dagegen kommt am besten zum Vorschein, wenn er von den Künstlern und ihren ausgestellten Werken erzählt - da hängen die Gäste an seinen Lippen, wie an diesem Oktoberwochenende der deutsche Zahnarzt aus Berchtesgaden und seine Stewardess-Frau. Die Kunst kommt von Etablierten wie Candida Höfer, Thomas Ruff, Markus Lüpertz oder von Abgängern der Kunstakademie Düsseldorf, Stefan Sehler etwa mit seiner wie Fotografie wirkenden Hinterglasmalerei. Einige Werke sind auch zu kaufen.
Viermal pro Woche kocht Autodidakt Dirk Liesenfeld ein Vier-Gänge-Menü, dessen Portionen "ruhig kleiner sein dürfen", meint die Stewardess, die selbst auf einem Berggasthof aufgewachsen ist. In der "art-lodge" setzt man auf regionale Produkte und Biofleisch, richtig guten Käse habe man leider noch nicht gefunden. Frühstück servieren sie von 9 bis 14 Uhr - Großstadtgefühl will man eben auch auf dem Berg bieten. Im Übernachtungspreis eingeschlossen: Softdrinks, Weine und Biere, die man sich aus den Kühlschränken auf den Fluren nimmt, dito Tee und Kaffee, zuzubereiten im Zirbenzimmer mit Kachelofen und Bibliothek. Wenn alles klappt, treffen sich hier die Gäste wie in einem gemütlichen Wohnzimmer.
An diesem Sonntagvormittag schlendert eine junge Frau aus Wiener Neustadt vorbei, an ihrer Seite ihr Vater unten aus dem Dorf. Neugierig betrachtet sie im Vorgarten die Flugzeugskulptur von Michail Pirgelis, einem RosemarieTrockel-Schüler. Ihr Vater, Jägerhut und skeptischer Blick, schweigt. Sie aber sagt: "Gut, dass sich hier am Berg etwas tut." (Mareike Müller/DER STANDARD/Printausgabe)

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